Cedratvirus – Wikipedia

Cedratvirus ist eine vorgeschlagene Gattung von Riesenviren aus der ebenfalls noch nicht vom International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) offiziell bestätigten Familie der Pithoviridae[3] mit eiförmigen Viruspartikeln (Virionen). Cedratvirus unterscheidet sich von anderen Pithoviren durch das Vorhandensein einer zweilagigen Hüllmembran.[4]

Der erste bekannte Vertreter aus dieser Gattung, die Spezies Cedratvirus A11, wurde 2016 von Julien Andrean und Kollegen bei der gemeinsamen Kultivierung von Amöben der Spezies Acanthamoeba castellanii mit verschiedenen Umweltproben aus Algerien beschrieben.[4][5]

Zur Zeit (Stand August 2020) ist die von diesen Autoren vorgeschlagene Gattung Cedratvirus noch nicht in der Datenbank des International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) registriert (Master Species List #34 2018b),[6] auch beim National Center for Biotechnology Information (NCBI) wird der Begriff Cedratvirus nicht als eigene Gattung, sondern nur als Namensbestandteil einer Reihe von Virusspezies der Familie Pithoviridae; jedoch sprechen auch Claire Bertelli und Kollegen 2017 von einer „Cedratvirus lineage“ als Verwandtschaftsgruppe.[7]

TEM-Aufnahme von einem Virion eines Ver­treters der Cedrat­viren, isoliert aus der Klär­anlage von Minas Gerais, Brasilien. An beiden Enden ist jeweils deutlich eine Pore (Ostiole) er­kenn­bar.[8][Anm. 1]

Die Virionen (Viruspartikel) von Cedratvirus erreichen eine Länge von 1 bis 1,2 µm und einen Durchmesser von bis zu 0,5 µm. Die Form der Virionen ist eiförmig und den Virionen von den Pithovirus sibericum ähnlich, außerdem haben sie eine zweilagige Hülle. Die Dicke der Virionhüllen ist in verschiedenen Stadien des Infektionszyklus unterschiedlich. In den frühen Stadien der Infektion hat die äußere Schicht eine Dicke von 40±5 nm und wächst später bis auf 55±5 nm. Solche Veränderungen können durch die Einlagerung von Viruspartikeln in Phagosomen und Vakuolen der Amöbe sowie durch die allmähliche Zerstörung von Virionen nach der Freisetzung von Virus-DNA in das Zytoplasma der Zelle verursacht werden. Wie bei Pithovirus sibericum gelangt die DNA durch eine spezielle Öffnung im Kapsid der Virionen in das Zytoplasma.[4]

Das Genom ist bei Cedratvirus ein doppelsträngiges zirkuläres DNA-Molekül mit einer Länge von 589.068 bp.[10] Der GC-Anteil am Genoms beträgt 42,6 %.
Trotz der morphologischen Ähnlichkeit der Virionen mit denen von Pithovirus ist das Genom von Cedratvirus A11 um 20.965 bp[10] bzw. ca. 97.000 bp kürzer als das von Pithovirus sibericum respektive Pithovirus massiliensis. Es wurden keine palindromischen Sequenzen im Genom von Cedratvirus gefunden, aber es wurden 27 mögliche Wiederholungsregionen gefunden. Im Genom von Cedratvirus sind vermutlich 574 Proteine kodiert, mehr als das bei der Gattung Pithovirus (425 bei P. sibericum).[10]
Im Genom wurden keine tRNA-Gene gefunden. Für 177 der Cedratvirus-Proteine konnten in den Datenbanken keine Homologe gefunden werden; 258 der Proteine sind homolog zu Proteinen anderer Viren, 108 zu Proteinen von Eukaryoten und nur 31 zu Proteinen von Prokaryoten. Von den viralen Proteinen besteht bei 84,1 % Homologie zum Pithovirus.
Proteinhomologe eukaryotischen Ursprungs besteht zur Grünalge Micromonas pusilla (Mamiellophyceae), dem Amöbenwirt A. castellanii und der Braunalge Ectocarpus siliculosus.

Viele der kodierenden Gene von Cedratvirus sind an Prozessen beteiligt, die spezifisch für Riesenviren sind:
So wurden beispielsweise die Gene für die Synthese aromatischer Aminosäuren und das Gen für die D-3-Phosphoglycerat-Dehydrogenase gefunden.
Zwei Kopien des Ribonuklease-III-Gens und ein entferntes Homolog des Ribonuklease-H-Gens wurden ebenfalls nachgewiesen.[4]

Der Infektionszyklus von Cedratvirus beginnt wie üblich für Riesenviren: Virionen werden von Amöben aufgenommen (phagozytiert) und dringen in die Phagosomen und Vakuolen ein.
Nachdem die interne Virusmembran und die Vakuolenmembran zusammengewachsen sind, gelangt virale DNA in das Zytoplasma. Anscheinend ist nur eine Schicht des zweischichtigen Kapsids an der Ausgabe der DNA beteiligt. Im Zytoplasma sind eine Anzahl leerer Viruspartikel nachweisbar, die keine DNA enthalten. Vier Stunden nach der Infektion erscheint eine Virusfabrik (englisch virus factory) im Zytoplasma der Zelle. Nach zwei bis vier Stunden sind dort reife Virionen nachweisbar, wobei die Bildung neuer Partikel weiter anhält. Zehn Stunden nach der Infektion der Kultur zersetzen sich einige Zellen und setzen Viruspartikel frei, und 24 Stunden nach der Infektion findet eine vollständige Lyse der Kultur statt.[4]

Es wird angenommen, dass die engsten bis dato bekannten Verwandten des Cedratvirus A11 die Pithovirus-Vertreter P. sibericum und P. massiliensis sind, weshalb beide Gattungen vorläufig der Familie der Pithoviridae zugeordnet wurden,[4]
einer unbestätigten (d. h. noch nicht vom International Committee on Taxonomy of Viruses – ICTV – offiziell anerkannten) Gruppe von Riesenviren innerhalb des Phylums Nucleocytoviricota (veraltet Nucleocytoplasmic large DNA viruses, NCLDV).
2017 wurde die Entdeckung einer weiteren Spezies von Cedratvirus bekannt gegeben – Cedratvirus lausannensis, das ebenfalls verwandtschaftliche Näher zu Pithovirus zeigt. Es wurde in einer Wasserprobe zur Bewässerung von Pflanzen in Frankreich gefunden.[11]
2018 wurde ein weiterer Vertreter der Gattung beschrieben – Cedratvirus getuliensis, der in Brasilien entdeckt wurde.[12]
Die phylogenetische Analyse von 2018 ergab, dass das brasilianische Virus einen eigenen Evolutionszweig in der Gattung Cedratvirus bildet.[13] Um weitere zwischenzeitliche Vorschläge ergänzt ergibt sich die folgende vermutete Systematik der so erweiterten Familie Pithoviridae:[14]

  • Familie Pithoviridae
    • Gattung Pithovirus
    • Gattung Cedratvirus[3][14]
      • Spezies Brazilian cedratvirus IHUMI[9] (Genomlänge 460.038 bp)[1]
      • Spezies Cedratvirus A11[5][9] (Genomlänge 589.068 bp)[1] (Typus)
      • Spezies Cedratvirus N38[15][9]
      • Spezies Cedratvirus getuliensis
      • Spezies Cedratvirus lausannensis[9] mit Cedratvirus lausannensis CRIB-75
      • Spezies Cedratvirus Zaza[9] mit Cedratvirus Zaza IHUMI
      • Spezies Cedratvirus kamchatka[9]
  • Familie Orpheoviridae (nach manchen Autoren ein Synonym zu Pithoviridae)
  • ohne Familienzuordnung:
  1. abc Das Material wurde von dieser Quelle kopiert, die unter einer Creative Commons Attribution 4.0 International License verfügbar ist.
  1. abc Clara Rolland, Julien Andreani, Amina Cherif Louazani, Sarah Aherfi, Rania Francis, Rodrigo Rodrigues, Ludmila Santos Silva, Dehia Sahmi, Said Mougari, Nisrine Chelkha, Meriem Bekliz, Lorena Silva, Felipe Assis, Fábio Dornas, Jacques Yaacoub Bou Khalil, Isabelle Pagnier, Christelle Desnues, Anthony Levasseur, Philippe Colson, Jônatas Abrahão, Bernard La Scola: Discovery and Further Studies on Giant Viruses at the IHU Mediterranee Infection That Modified the Perception of the Virosphere. In: Viruses, 11(4), März/April 2019, pii: E312, doi:10.3390/v11040312, PMC 6520786 (freier Volltext), PMID 30935049, MDPI.
  2. abcde ICTV Master Species List 2019.v1, New MSL including all taxa updates since the 2018b release, March 2020 (MSL #35)
  3. abcde Julien Andreani, Jacques Y. B. Khalil, Emeline Baptiste, Issam Hasni, Caroline Michelle, Didier Raoult, Anthony Levasseur, Bernard La Scola: Orpheovirus IHUMI-LCC2: A New Virus among the Giant Viruses. In: Frontiers in Microbiology. Band 8, 22. Januar 2018, ISSN 1664-302X, doi:10.3389/fmicb.2017.02643 (frontiersin.org [PDF]). 
    Zitat: “… we recently described a new virus Cedratvirus A11 (Andreani et al., 2016) a possible new genus in the putative Pithoviridae family”
  4. abcdef J. Andreani, S. Aherfi, J. Y. Bou Khalil, F. Di Pinto, I. Bitam, D. Raoult, P. Colson, B. La Scola: Cedratvirus, a Double-Cork Structured Giant Virus, is a Distant Relative of Pithoviruses. In: Viruses, 3. November 2016, 8(11), pii: E300. doi:10.3390/v8110300, PMID 27827884
  5. abc Julien Andreani, Jonathan Verneau, Didier Raoult, Anthony Levasseurn Bernard La Scola: Deciphering viral presences: two novel partial giant viruses detected in marine metagenome and in a mine drainage metagenome. In: Virology Journal, Band 15, Nr. 66, 10. April 2018, doi:10.1186/s12985-018-0976-9
  6. Search Cedratvirus in ICTV database. Archiviert vom Original am 4. Oktober 2013.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ictvonline.org Abgerufen am 6. Juli 2019.
  7. Claire Bertelli, Linda Mueller, Vincent Thomas, Trestan Pillonel, Nicolas Jacquier, Gilbert Greub: Cedratvirus lausannensis – digging into Pithoviridae diversity. In: Environmental Microbiology 19(10), S. 4022–4034, 15. Juni 2017, doi:10.1111/1462-2920.13813. Fig. 4 und nachfolgender Text

  8. Ana Cláudia dos S. P. Andrade, Thalita S. Arantes, Rodrigo A. L. Rodrigues, Talita B. Machado, Fábio P. Dornas, Melissa F. Landell, Cinthia Furst, Luiz G.. A. Borges, Lara A.. L. Dutra, Gabriel Almeida, Giliane de S. Trindade, Ivan Bergier, Walter Abrahão, Iara A. Borges, Juliana R. Cortines, Danilo B. de Oliveira, Erna G. Kroon, Jônatas S. Abrahão: Ubiquitous giants: a plethora of giant viruses found in Brazil and Antarctica. In: Virology Journal, Band 15, Nr. 22, 24. Januar 2018, doi:10.1186/s12985-018-0930-x.
  9. abcdefg Hadjer Boudjemaa, Julien Andreani, Idir Bitam, Bernard La Scola: Diversity of Amoeba-Associated Giant Viruses Isolated in Algeria. In: Diversity, Band 12, Nr. 6, Special Issue Giant Virus Biology and Biodiversity, 215, 29. Mai 2020, doi:10.3390/d12060215.
  10. abc Disa Bäckström, Natalya Yutin, Steffen L. Jørgensen, Jennah Dharamshi, Felix Homa, Katarzyna Zaremba-Niedwiedzka, Anja Spang, Yuri I. Wolf, Eugene V. Koonin, Thijs J. G. Ettema; Richard P. Novick (Hrsg.): Virus Genomes from Deep Sea Sediments Expand the Ocean Megavirome and Support Independent Origins of Viral Gigantism, in: mBio Vol. 10, Nr. 2, März–April 2019, S. e02497-18, PDF (PDF) doi:10.1128/mBio.02497-18, PMC 6401483 (freier Volltext), PMID 30837339, ResearchGate
  11. C. Bertelli, L. Mueller, V. Thomas, T. Pillonel, N. Jacquier, G. Greub: Cedratvirus lausannensis – digging into Pithoviridae diversity. In: Environmental Microbiology, 19(10), Oktober 2017, S. 4022–4034, Epub 14. August 2017, doi:10.1111/1462-2920.13813, PMID 28618143
  12. Ludmila Karen dos Santos Silva, Ana Cláudia dos Santos Pereira Andrade, Fábio Pio Dornas, Rodrigo Araújo Lima Rodrigues, Thalita Arantes, Erna Geessien Kroon, Cláudio Antônio Bonjardim & Jônatas Santos Abrahão: Cedratvirus getuliensis replication cycle: an in-depth morphological analysis. In: Scientific Reports, 5. März 2018, S. 4000, doi:10.1038/s41598-018-22398-3, PMID 29507337
  13. RAL Rodrigues, J. Andreani, ACDSP Andrade, T. B. Machado, S. Abdi, A. Levasseur, J. S. Abrahão, B. La Scola: Morphologic and Genomic Analyses of New Isolates Reveal a Second Lineage of Cedratviruses. In: Journal Of Virology, 92(13), 13. Juni 2018, pii: e00372-18, Print 1. Juli 2018, doi:10.1128/JVI.00372-18, PMID 29695424
  14. ab Cedratvirus (as token [set]). NCBI
  15. Cedratvirus N38 (species). NCBI.
  16. Orpheovirus IHUMI-LCC2 (Species). NCBI.
  17. ab Frederik Schulz, Lauren Alteio, Danielle Goudeau, Elizabeth M. Ryan, Feiqiao B. Yu, Rex R. Malmstrom, Jeffrey Blanchard, Tanja Woyke: Hidden diversity of soil giant viruses. In: Nature Communications. Band 9, Nr. 1, 2018, ISSN 2041-1723, Artikel 4881, Anmerkung 38, doi:10.1038/s41467-018-07335-2 (nature.com).