Heinrich Scherping (Büchsenmacher) – Wikipedia

Hofbüchsenmacher H. Scherping, Hannover, Atelieraufnahme, um 1900

Heinrich Scherping (* 1831 in Güstrow;[1] † vor 30. September[2]1913[1][3] in Hannover) war ein deutscher Hof-Büchsenmacher.[1]

Heinrich Scherping ging nach seiner Lehre zunächst nach Herzberg, Suhl und Wien.[4] 1857 gründete er sein eigenes Waffengeschäft.[5]

1862 wurde Scherping in das hannoversche Schmiedeamt aufgenommen und war 1863 nach dem Erwerb des Bürgerrechts zunächst mit Sitz in der Wagenerstraße 11[1] als erster Vertreter seines Namens in der Stadt Hannover und anfangs noch lediglich als Büchsenmacher ohne weiteren Titel[6][7] in der Calenberger Neustadt nachweisbar.[8]

Nach dem Umzug anfangs in Hinterhäuser der Georgstraße 9[9] und 10[10][1] wurde Scherping 1866 zum „Hof-Büchsenmacher“ ernannt.[11] In der Folge rückte er mit seinem Wechsel in die Burgstraße 19 zwar näher an das Leineschloss und das alte Machtzentrum der vormaligen Residenzstadt heran, bezog jedoch zu Ostern 1873[12] seine endgültige Geschäftsadresse im Hause Große Wallstraße 8.[1]

Um 1880: Annonce für den Verleih von Jagdgewehren Scherpings zur Seehunds- und Möwenjagd auf Norderney

1878 zeigte Scherping acht Gewehre auf der nunmehr preußischen Allgemeinen Gewerbe-Ausstellung der Provinz Hannover.[13] Eine kurz darauf erfolgte Bewerbung seines späteren Mitbewerbers Wilhelm Brenneke um einen Ausbildungsplatz wies Scherping jedoch ab mit dem Ratschlag, besser „etwas Aussichtsreicheres zu lernen“.[14]

Um 1880 bot Scherping Badegästen auf Norderney an einem nahe dem Südweststrand installierten Büchsen- und Pistolenschießstand leihweise Jagdgewehre für die Seehund- und Möwenjagd.[15]

Als Hofbüchsenmacher „signierte Scherping verschiedentlich“ die von ihm verkauften Gewehre.[1] So ist beispielsweise eine international als außergewöhnlich angesehene Scheibenpistole bekannt, entstanden im Zusammenspiel mit U.A.Z.,[16] der Udo Anschütz Gewehrfabrik in Zella-Mehlis.[17] Das Stück aus einem achteckigen Barrel aus Walnuss-Vollholz ist mit der Marke „H. Scherping“ signiert.[16]

1907 publizierte die Zeitschrift Jagd und Waffe ein Foto zum Gründungsjubiläum von „Altmeister Scherping“ und berichtete, dass sich „zahlreiche Verehrer aus allen Teilen Deutschlands zusammengetan [.. hätten, um] dem Jubilar eine prachtvolle Ehrengabe [zu stiften]“.[5]

Noch vor dem Tod des Unternehmensgründers im Jahr 1913[1] war der Firma „Heinrich Scherping“ mit der im Handelsregister beim Amtsgericht Hannover eingetragenen Nummer HRA 3991 der Büchsenmacher Heinrich Eckebrecht als zweiter Inhaber beigetreten. Neben der Anfertigung von Waffen bewarb das Unternehmen, das für den Raum Hannover ein Alleinvertretungsrecht für Produkte der Jagdgewehrfabrik J. P. Sauer & Sohn besaß, sein Lager von Jagd- und Schusswaffen, Munition und Jagdausrüstungs-Gegenständen.[18]

Noch vor dem 30. September[2] 1913 hatte Heinrich Eckebrecht im Todesjahr des Firmengründers das Geschäft übernommen,[19] und trat nun als alleiniger Inhaber mit dem Titel „Hof-Büchsenmacher“ auf bei zunächst unveränderter Ausrichtung.[3]

So wurden noch während der Zeit des Deutschen Kaiserreichs Jagdschusswaffen, Munition und Ausrüstungsgegenstände aus dem Hause Scherping in die deutschen Kolonien exportiert. Diese Waffenausfuhren Scherpings wurden wiederum durch die Buchhaltung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) festgehalten.[20] Wenige Wochen vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde auf der 27. Wanderausstellung der DLG, der am 18. Juni 1914 eröffneten Kolonialwirtschaftlichen Ausstellung in Hannover, die Sammlung der Jagdtrophäen des Geheimen Kommerzienrats Berthold Körting gezeigt, inklusive seiner zum Erlegen des Wildes in den Tropen von Afrika benutzten „Selbstspanner-Doppelbüchsen“ aus dem Hause Scherping.[21]

Mit Künstlersignatur „F K L“ von dem Kunstmaler und Grafiker Friedrich Karl Lippert: „Scherping Waffen“, Werbeblatt von 1924 mit einem Jäger und einer Jagdwaffe sowie dem – falschen – Gründungsdatum 1847

Abweichend von der natürlichen Person des Hofbüchsenmachers soll zum 28. Oktober 1911 für die Firma Heinrich Scherping eK beim Amtsgericht Hannover ein Eintrag im Handelsregister unter der Nummer HRA 14587 vorgenommen worden sein. Demnach wurde dieses Unternehmen am 20. Mai 1963 aus dem Handelsregister gelöscht.[22]

Ein „circa 1930“ datiertes Gewehr mit der Signatur „H. Scherping“ wurde als Schenkung der Stans African Hall des Museum of York County in Rock Hill (South Carolina), USA, an das Cody Firearms Museum im Buffalo Bill Center of the West gestiftet.[23]

Eine Besonderheit in der Scherpingschen Fertigung[24] war das nach Friedrich Karl Lippert benannte „Lippertsche Waidbesteck“, zu dem das Lippertsche Waidblatt zählt.[25] Der Kunstmaler und Jäger Lippert hatte dieses Spezialmesser 1936 erfundenen und durch die Firma Scherping nach Bestellung in aufwendiger Handarbeit in wenigen Einzelexemplaren fertigen lassen. Die Stücke wurden zu gesuchten und kaum noch zu findenden Sammlerstücken.[24]

Später fertigte der Schwertschleifer Willi Ulrich – 2009 als letzter seines Faches in Solingen – das sogenannte “Lippertsche Waidblatt”[26] als Replikat des Scherpingschen Originals.[24]

  • Ross Seyfried: The Art of H. Scherping. Three-Fourths of a Pair (in englischer Sprache), in Daniel Côté, Joanna Côté (editors): The Double Gun Journal, Volume 8, Issue 2, Summer 1997, p. 101–103; Teil-Digitalisat über die Seite germanhuntingguns.com
  1. abcdefgh Wolfgang Glage: Büchsenmacher und Rustmeister in Hannover, in ders.: Die Büchsenmacherkunst in Hannover, Begleitschrift zur Ausstellung im Historischen Museum am Hohen Ufer vom 10. Dezember 1978 bis 21. Januar 1979 in Hannover, Langenhagen: Hartwig Popp KG, S. 25–28; hier: S. 27
  2. ab Adreßbuch, Stadt- und Geschäftshandbuch der Königlichen Residenzstadt Hannover und der Stadt Linden auf das Jahr 1914, Abteilung III: Alphabetisches Verzeichniß der Einwohner und Handelsfirmen, „Redaktionsschluß 30. September [1913]“, S. 1; Digitalisat der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek (GWLB) über die Deutsche Forschungsgemeinschaft
  3. ab Adreßbuch … 1914 … Alphabetisches …, S. 449; Digitalisat der GWLB
  4. Martin Kruschitz: Hahn-Doppelbüchse, Heinrich Scherping – Hannover, Losbeschreibung des Auktionshauses Dorotheum zur Versteigerung am 28. Februar 2015
  5. ab Schuss und Waffe: Illustrierte gemeinverständliche Zeitschrift für jagdliches und sportliches Schiesswesen, sowie Schiessplatzanlagen, Waffentechnik, Waffengeschichte etc., Heft 1 (1907), hrsg. von der Waffentechnischen Versuchsstation Neumannswalde-Neudamm, Neudamm: Neumann, 1907, S. 231; Vorschau über Google-Bücher
  6. Adreßbuch … auf das Jahr 1862, Abt. I, 4: Alphabetisches Verzeichniß …, S. 264; Digitalisat der GWLB [kein Eintrag für „Scherping“]
  7. Adreßbuch der königlichen Haupt- und Residenzstadt Hannover auf das Jahr 1863, Abteilung I: Adreß- und Wohnungsanzeiger, 4: Alphabetisches Verzeichniß der Einwohner, S. 271; Digitalisat GWLB
  8. Helmut Zimmermann: Wagenerstraße, in ders.: Die Straßennamen der Landeshauptstadt Hannover. Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1992, ISBN 3-7752-6120-6, S. 256
  9. Adressbuch 1865.
  10. Adressbuch 1866
  11. Adressbuch … 1867
  12. Adressbuch 1873
  13. Allgemeine Gewerbe-Ausstellung der Provinz Hannover für das Jahr 1878. Offizieller Katalog mit geschichtlich-statistischen Einleitungen. Mit einem Plane der Ausstellungs-Localitäten, 5. verbesserte und vermehrte Auflage, Hannover: Hofbuchdruckerei der Gebrüder Jänecke, 1878, S. 92; Digitalisat über Google-Bücher
  14. Ernst-Otto Pieper: Wilhelm Brenneke zum 150. Geburtstag, Artikel [ohne Datum, 2015] auf der Seite wildhueter-st-hubertus.de
  15. Vergleiche die Anzeige aus der Weihnachtsausgabe des Badekurier von 1880
  16. ab Guns of the World (in englischer Sprache), Random House Value Publishing, Dec. 12, 1988, p. 89; Vorschau über Google-Bücher
  17. o. V.: Museen der Stadt Zella-Mehlis / Zella-Mehliser Waffen u. Waffenfirmen auf der Seite zella-mehlis.de [ohne Datum], zuletzt abgerufen am 9. August 2019
  18. Adressbuch 1913
  19. Wolfgang Glage: Büchsenmacher …, S. 26
  20. Mitteilungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, Band 29, DLG Verlag, 1914, S. 332; Vorschau über Google-Bücher
  21. Die Kolonialwirtschaftliche Ausstellung in Hannover, in: Deutsche Kolonialzeitung. Organ der Deutschen Kolonialgesellschaft, 31. Jahrgang, Ausgabe Nr. 26 vom 27. Juni 1914, S. 426; Digitalisat über die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
  22. Vergleiche die Angaben auf der Seite northdata.de [ohne Datum], zuletzt abgerufen am 8. August 2019
  23. Herbert G. Houze: Cody Firearms Museum (in englischer Sprache), Buffalo Bill Historical Center, 1991, p. 79; Vorschau über Google-Bücher
  24. abc Richard Schneider: Das Lippertsche Waidblatt / Selten und begehrt; Artikel als PDF-Dokument der ehemaligen Firma Willi Ulrich. Stahlwaren aus eigener Fertigung – Schützenartikel auf der Seite http://svalbardrepublic.org in der Version vom 5. Mai 2010
  25. Norbert Steinau (Hrsg:): Jagd in der Lüneburger Heide. Beiträge zur Jagdgeschichte. Begleitpublikation zur Ausstellung ( = Veröffentlichungen des Landwirtschaftsmuseums Lüneburger Heide, Band 15), Celle: Bomann-Museum; Suderburg-Hösseringen: Landwirtschaftsmuseum Lüneburger Heide, 2006, ISBN 978-3-925902-59-8 und ISBN 3-925902-59-7, S. 190ff. u.ö.; Vorschau über Google-Bücher
  26. Pia Bergmeister: Solingen / Der letzte seines Fachs …, Artikel auf der Seite rp-online.de vom 4. Februar 2099, zuletzt abgerufen am 10. August 2019