4. documenta – Wikipedia

Grafik von Frank Stella zur 4. documenta (aus seiner Wedge Series V)
Werk von Ronald Davis, heute ausgestellt im MoMA

Die 4. documenta internationale Ausstellung fand vom 27. Juni bis 6. Oktober 1968 in Kassel statt, zum letzten Mal unter der Leitung von Arnold Bode. Schwerpunkt waren die Werke der Arrivierten der jüngsten Kunst-Avantgarde und weniger die geachteten Meister der mittleren und älteren Generation. Erstmals wurde die documenta als „wichtigste europäische Kunst-Ausstellung des Jahrzehnts“ wahrgenommen (Time-Magazine)[1]

Die Organisationsform war gegenüber den vorhergehenden documenten grundlegend geändert worden. Ein 23-köpfiger documenta-Rat stimmte, nach Vorentscheid durch Arbeitsausschüsse, über die endgültige Teilnahme von Künstlern ab. Arnold Bode war Mitglied in allen Arbeitsausschüssen. Das Auswahlverfahren war erstmals weitgehend demokratisch strukturiert.

Im Aufbruchs- und Unruhe-Jahr 1968 blieb auch die IV. documenta nicht von den gesellschaftlichen Ereignissen und kontroversen Debatten verschont. Die Pressekonferenz der Eröffnungsveranstaltung wurde massiv gestört. An dieser Protest-Veranstaltung nahmen unter anderem Künstler wie Wolf Vostell und Jörg Immendorff teil, die Kunstrichtungen wie Fluxus, Happening, Aktionskunst und politisch-kritische Beiträge im Ausstellungskonzept vermissten.

Die gefällige Pop Art und Op-Art dominierten die IV. documenta. Diese, im damaligen Zeitgeschmack liegenden Stilrichtungen trugen stark zur Popularisierung der Ausstellung bei, was sich auch durch einen neuen Besucherrekord von 207.000 interessierten Menschen dokumentierte.

Die 4. documenta war die „jüngste“ der damaligen documenten, da fast nur Kunstwerke ausgewählt wurden, die in den letzten vier Jahren entstanden waren. Nur fünf ausstellende Künstler waren bereits verstorben, darunter Yves Klein, Morris Louis und Josef Albers. Gleichzeitig ging diese documenta als documenta americana in die Geschichte ein, da die US-Amerikaner mit 57 teilnehmenden Künstlerinnen und Künstlern vor Deutschland das größte nationale Kontingent stellten.

Bazon Brock organisierte zum ersten Mal seine Besucherschule, die die Interessierten an Kunstbetrachtung und Kunstrezeption heranführen sollte. Die Besucherschule wurde noch zwei weitere Male auf der documenta 5 und der documenta 6 offiziell veranstaltet.

Finanzierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Insgesamt wurde das Budget mit 2 Millionen Deutsche Mark festgelegt, das Land Hessen und die Stadt Kassel zahlten davon erst 700.000 Mark, später zusätzliche 400.000 Mark. Dieses Budget schien jedoch bald als wenig realistisch gemessen an der Planung, so dass es zu Kürzungen des Programms kam. Ein Organisationsausschuss musste in die Entscheidungen des Documenta-Rats eingreifen. Zwei Ratsmitglieder, der Düsseldorfer Museumsdirektor Werner Schmalenbach und der Kasseler Maler Fritz Winter verließen daher aus Protest den Rat. Versicherungen und Transporte machten einen großen Posten der Ausgaben aus.[1]

Erst durch eine Bildspende der Documenta-Künstler konnten Sockel und Scheinwerfer für die Skulpturen-Ausstellung im Parkgelände überhaupt finanziert werden. Einige Künstler suchten sich Mäzene, die in einigen Fällen auch die Kunstwerke später kauften.

Eine Architekturausstellung als Bestandteil der documenta wurde aus Kostengründen gestrichen.

Ausstellungsorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiederum fand die Ausstellung in den Räumen des Museum Fridericianums, der Ruine der Orangerie mit Freigelände (Karlswiese der Karlsaue) und in der Galerie an der Schönen Aussicht, der heutigen Neuen Galerie statt.

Prägend für die IV. documenta waren die bunten Beiträge der Pop Art, vor allem der US-amerikanischen Künstler, die die Ausstellung dominierten. Andy Warhols populäre „Marilyn“, nach Marilyn Monroes Tod entstanden, prangte 10-teilig und unvergessen in der Ausstellung. Hier wurde gleichzeitig die Verehrung von Idolen als auch die Reproduzierbarkeit von Kunst thematisiert. Ein weiterer Vertreter der Pop Art war Allen Jones, der sein Triptychon Perfect Match präsentierte.

Weitere auf der IV. documenta vertretene Kunstrichtungen und Ausdrucksformen waren die Op-Art, die Kinetische Kunst, das Environment und der Minimalismus.

5600 Kubikmeter Paket[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Christo war mit zwei Kunstwerken vertreten, einer Ladenfront mit leeren Schaufenstern sowie das 5600 Kubikmeter Paket – ein 85 Meter hohes zylindrisches, luftgefülltes Paket, finanziert wurde das Kunstwerk mit 300.000 Mark durch einen Mäzen aus den USA. Das Kunstwerk musste beim Kasseler Regierungspräsidenten als „stationäres Luftfahrzeug“ registriert werden und musste nach Behördenvorschrift bei Windstärke sechs oder starkem Gewitter unverzüglich niedergelegt werden[2].

Beim ersten und zweiten Versuch, das Kunstwerk zu errichten, wurde eine heliumgefüllte Polyethylen-Hülle aus den USA verwendet. Anschließend wurde eine dickwandigere Trevira-Hülle mit einem 70 m hohen Kran hochgezogen, erst im vierten Anlauf klappte das Aufrichten. Die Versuche haben so große Aufmerksamkeit erregt, dass vielfach behauptet wird, die Fehlversuche hätten den größten Anteil an der Popularität der „Riesenwurst“ bewirkt.

Insgesamt nahmen 151 Künstler an der Ausstellung teil:

Dieter Ruckhaberle veranstaltete während der dokumenta-zeit eine Alternativ-Ausstellung politisch engagierter Kunst. Wolf Vostell machte ein „Anti-Documenta-Hearing“. Dessen Unterstützer gossen bei einer Sitzung des Documenta-Rat Honig auf den Konferenztisch, während einige „aus Aggressivität im Geiste“ Ratsmitglieder und Teilnehmer auf die Wangen küssten.

Bazon Brock kündigte an, eine „Besucher-Schule“ aufzumachen, in der Interessierten „Aneignungstechniken und Rezeptionspraktiken nahegebracht“ wurden. Diese Veranstaltung wurde jedoch in das documenta-Konzept integriert.[1]

  • Ausstellungskatalog zur IV. documenta: IV. documenta. Internationale Ausstellung; Katalog: Band 1: (Malerei und Plastik); Band 2: (Graphik/Objekte); Kassel 1968
  • Dieter Westecker u. a. (Hrsg.): documenta-Dokumente: 1955–1968 – Vier internationale Ausstellungen moderner Kunst – Texte und Fotografien. Kassel 1972, ISBN 3-87013-007-5
  • Manfred Schneckenburger (Hrsg.): documenta – Idee und Institution: Tendenzen, Konzepte, Materialien. München 1983, ISBN 3-7654-1902-8
  • Harald Kimpel: documenta, Mythos und Wirklichkeit. Köln 1997, ISBN 3-7701-4182-2
  • Dirk Schwarze: Meilensteine: 50 Jahre documenta. Kassel 2005, ISBN 3-9369-6223-5
  • Michael Glasmeier und Karin Stengel (Hrsg.): 50 Jahre/Years documenta 1955–2005. 2 Bände: Diskrete Energien / archive in motion. Kassel 2005, ISBN 3-86521-146-1
  • Kulturamt der Stadt Kassel/documenta Archiv (Hrsg.) / CIS GmbH (Prod.); CD: Documenta 1–9 – Ein Focus auf vier Jahrzehnte Ausstellungsgeschichte / Profiling four decades of exhibition history – 1955–1992. Kassel/Würzburg 1997, ISBN 3-8932-2934-5
  • Harald Kimpel und Karin Stengel: documenta IV 1968 Internationale Ausstellung – Eine fotografische Rekonstruktion (Schriftenreihe des documenta-Archives); Bremen 2007, ISBN 978-3-86108-524-9
  1. abc DOCUMENTA: Aggressiv geküßt. In: Der Spiegel. Nr. 27, 1968 (online). 
  2. CHRISTO: Leerer Laden. In: Der Spiegel. Nr. 33, 1968 (online).