Notbremsassistent – Wikipedia

Ein Notbremsassistent ist ein vorausschauendes Fahrerassistenzsystem für Kraftfahrzeuge oder Straßenbahnen,[1] das bei Gefahr den Fahrer warnt, eine Notbremsung unterstützt (Bremsassistent) oder selbsttätig bremst. Dies soll die Kollision mit einem Hindernis vermeiden oder die Kollisionsgeschwindigkeit herabsetzen. Einige Notbremsassistenten können weitere Sicherheitsmaßnahmen treffen.

Fahrzeuge mit Notbremsassistent haben in der Regel Sensoren zur Ermittlung von Abständen, Beschleunigung, Lenkwinkel, Lenkradwinkel und Pedalstellungen. Aus den Messwerten dieser Sensoren errechnet der Bordcomputer, ob es Indizien für eine Gefahrensituation und/oder einen kritischen Fahrzustand gibt.
Die Daten einiger Sensoren werden auch für andere Zwecke genutzt. Zum Beispiel nutzen ABS und Fahrdynamikregelung (auch ESP oder ESC genannt) die Daten der Sensoren an den Rädern.
Viele Notbremsassistenten warnen den Fahrer z. B. vor zu wenig Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug, bevor sie selbsttätig die Kraftstoffzufuhr drosseln und bremsen.

Diese Systeme werden je nach Fahrzeughersteller bzw. Automobil-Zulieferer unterschiedlich bezeichnet:[2]

  • Audi: pre sense
  • BMW: intelligent brake (iBrake)
  • Bosch: Predictive Safety System (PSS)
  • Daimler: Pre-Safe-Bremse
  • Ford: Active City Stop
  • Honda: Collision Mitigation Brake System
  • Volkswagen: Front Assist (gleichlautend auch bei SEAT und Škoda)
  • Volvo: City Safety

Ein Auffahrwarner erkennt per Kamera oder mit Radar- oder Lidarsensor den Abstand, in Grenzen auch die Geschwindigkeitsdifferenz, zu anderen Fahrzeugen oder Hindernissen und warnt den Fahrer bei Gefahr einer Kollision. Ein Auffahrwarner beeinflusst nicht den Bremsvorgang des Fahrzeugs. In Deutschland wurde ein solches System zuerst im Jahr 2003 eingeführt.[3]

Kamerasystem eines Notbremsassistenten

Beim Notbremsassistent überwachen Sensoren die Umgebung und warnen den Fahrer zunächst vor kritischen Situationen, um ihm Gelegenheit zum Reagieren zu geben. Erkennt das System, dass eine Kollision bevorsteht, errechnet es, wie stark das Fahrzeug abgebremst werden muss, um die Kollision zu vermeiden. Wenn der Fahrer dann bremst, verstärkt das System den Bremsdruck um das erforderliche Maß.[4]

Bei geringem Tempo, zum Beispiel im Stadtverkehr, erkennen Notbremsassistenten vorausfahrende bzw. stehende Fahrzeuge und bereiten die Bremsanlage automatisch für eine Notbremsung vor. Sollte der Fahrer nicht auf die Situation reagieren, kann der Notbremsassistent eine Notbremsung auslösen, damit es gar nicht erst zur Kollision kommt. Falls eine Kollision unvermeidbar ist, verringert der Notbremsassistent wenigstens die Stärke des Aufpralls und damit auch das Verletzungsrisiko für die Insassen der beteiligten Fahrzeuge.

Viele neuere Systeme reagieren nicht nur auf andere Fahrzeuge, sondern auch auf andere Straßenverkehrsteilnehmer wie Fußgänger oder Radfahrer. So werden Frontalkollisionen vermieden oder abgeschwächt und die Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer deutlich erhöht.

Bei der LKW-Amokfahrt auf dem Berliner Weihnachtsmarkt verhinderte solch ein System, das durch den Aufprall auf die ersten Hütten ansprach und das Fahrzeug abbremste, ein noch größeres Blutbad.[5]

Häufig wird hier eine bessere Kamera mit Sensoren für die Pedalstellungen kombiniert. Der Assistent ist so in der Lage, das Verhalten des Fahrers entsprechend der Situation besser einzuschätzen und den Fahrer bei der Bewältigung von schwierigen Situationen zu unterstützen. Erkennt der Notbremsassistent beispielsweise eine kritische Situation für eine Notbremsung aufgrund eines schnell losgelassenen Gaspedals und kräftig betätigten Bremspedals, wird sofort der volle Bremsdruck aufgebaut, der für eine maximale Verzögerung notwendig ist. Zusätzlich können je nach System weitere Maßnahmen zum Insassenschutz getroffen werden.

Ein autonomes Notbremssystem ist eine Erweiterung des Notbremsassistenten. Auch hier stehen meist weitere und genauere Sensoren gegenüber dem Notbremsassistenten zur Verfügung. Beispielsweise wird für eine sichere Erkennung des Abstands zum Vordermann und dessen Geschwindigkeit häufig ein Radarsensor verbaut, der für die einfacheren Systeme nicht erforderlich ist. Die Validität der Prognosen erlaubt eine Umkehrung der Initiative: Nicht der Fahrer löst das System aktiv aus wie noch beim Notbremsassistenten, sondern der Fahrer kann das System übersteuern. Führt der Fahrer keine Aktion durch, wird das System selbständig aktiv und bremst das Fahrzeug ab.

Bei der Erkennung einer kritischen Situation, beispielsweise auf Grund eines zu schnell zu klein werdenden Abstands zum Vordermann und der Gefahr eines Auffahrunfalls, wird der Fahrer in einer ersten Stufe visuell und akustisch gewarnt. Reagiert der Fahrer darauf nicht, leitet das System zunächst eine deutliche Geschwindigkeitsreduktion (Teilbremsung) ein. Wenn der errechnete Abstand zu gering wird und der Fahrer immer noch nicht reagiert hat, wird eine Vollbremsung ausgelöst, um die Kollision mit einem Hindernis zu vermeiden oder zumindest die Wucht des Aufpralls zu minimieren. Wird das Hindernis oder vorausfahrende Fahrzeug vom System verspätet erkannt, z. B. durch Fahren über eine Kuppe, kann das System auch sofort eine Teil-, gegebenenfalls auch eine Vollbremsung einleiten, ohne den Fahrer vorher zu warnen. Diese Maßnahmen werden meist von weiteren Maßnahmen zum Insassenschutz begleitet. In Deutschland wurde ein solches System erstmals im Jahr 2006 eingeführt.[6]

Lastkraftwagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Adaptive Cruise Control“ für den „Active Brake Assist“

Nach den gesetzlichen Vorgaben für Lkw über 8 Tonnen muss der Notbremsassistent die Geschwindigkeit um 10 km/h herabsetzen. Künftig soll die Vorgabe auf 20 km/h verschärft werden.[7]

Von LKW-Fahrern wird der Assistent wegen zu häufiger Fehlerkennungen regelmäßig abgeschaltet.[8]

Laut ADAC sollte „Die Notbremsassistenz-Funktion permanent verfügbar sein. Ein manuelles Abschalten des Notbremsassistenzsystems ist, wie die aktuelle ADAC Untersuchung zeigt, unnötig und sollte nicht zulässig sein. Eine situationsbedingte Unterbrechung sollte nur kurzzeitig möglich sein, wobei hier eine automatische Wiedereinschaltung vorzusehen ist.“[9]

Bei schweren LKW ist der Notbremsassistent häufig mit dem Abstandsregeltempomaten kombiniert.

Wird durch die Airbag-Steuereinheit ein Unfall erkannt und fährt das Fahrzeug danach noch weiter, löst die Multikollisionsbremse eine Bremsung des Fahrzeugs mit 0,6 g[10] aus, um weitere Kollisionen zu vermeiden oder zumindest die kinetische Energie des Fahrzeuges so weit wie möglich zu reduzieren. Neben dem Airbag-Steuergerät können, je nach System, weitere Sensoren des Fahrzeugs, wie Körperschallsensoren oder Drucksensoren in den Türen, für die Entscheidung über die Aktivierung der Multikollisionsbremse berücksichtigt werden.

Ein Insassenschutzsystem erkennt potentiell gefährliche Situationen wie Schleudern, starkes Über- oder Untersteuern oder zu geringer Abstand. Es reagiert darauf, indem es bereits vor dem möglichen Ernstfall die mechanischen Gurtstraffer reversibel vorspannt, Sitze in eine aufrechte optimale Position bringt sowie Fenster und Schiebedach schließt. Je nach Ausstattung des Fahrzeugs können auch umklappbare Kopfstützen aufgestellt oder Massagesysteme in Sitzen für besseren Halt verwendet werden.

  • Trucker Technik Lexikon 2008, Seite 4. Zeitschrift: Trucker.
  1. Mehr Verkehrssicherheit: Kiepe Electric integriert Kollisionswarnsysteme in Hannoveraner Stadtbahnen. Abgerufen am 15. Juli 2021. 
  2. ureko.de: Unfallrekonstruktion
  3. Radargestütztes Pre-Crash-Sicherheitssystem PCS im Lexus LS
  4. bester-beifahrer.de. Eine Initiative des Deutschen Verkehrssicherheitsrates zu Fahrerassistenzsystemen. Abgerufen am 18. Juli 2017. 
  5. Lkw-Bordcomputer verhinderte noch mehr Tote in Berlin – News. Abgerufen am 5. März 2020. 
  6. Pre-Safe-Bremse mit Teilbremsung im Mercedes-Benz C 216 und mit Vollbremsung 2009 in der Mercedes-Benz Baureihe 212
  7. ADAC: Gesetze für Notbremsassistenten müssen verschärft werden
  8. [1] Die Landesregierung Niedersachsen stellt in der Begründung ihres Antrags fest: „Mit zunehmender AEBS-Ausstattung schwerer Güterkraftfahrzeuge wachsen auch die Felderfahrungen mit solchen Systemen. Kontrollorgane u. a. stellen fest, dass Fahrzeugführende den Notbremsassistenten dauerhaft abschalten, um beispielsweise nicht durch die Kollisionswarnungen vermeintlich ‚gestört‘ zu werden.“ Die Auffassung der Landesregierung, dass dieses Verhalten einer sehr großen Anzahl an Berufsfahrern auf jeden Fall falsch ist, und die Qualitätsbewertung dieser Systeme durch deren Hersteller keinesfalls wahrheitswidrig zustande gekommen sein kann, hat zu der Auffassung geführt, daß diese Systeme nicht abschaltbar sein dürfen.
  9. ADAC: Studie zu LKW Notbremsassistenzsystemen. In: adac.de. ADAC, 2017, abgerufen am 16. Oktober 2018. 
  10. [2] Multikollisionsbremse